1. Tag

 

Oh Kinders, Ist das schön: Meine erste Nacht wieder in einer Herberge. Das hat mir so gefeht: sich begegnen und mit hola grüßen,  sich anlächeln und irgendwie miteinander verbunden sein. Mir war es ja ein bisschen mulmig, weil ich erst so spät ankam, aber der Hospitalero stand schon vor der Türe, begrüßte mich, ich hatte vorgebucht, mit meinem Namen und verabschiedete mich heute Morgen mit Küsschen! Das ist Camino! - Ach, ich liebe das!

 

Meinen Morgenkaffe trinke ich in Christas und Michaelas Hotel und bin mit dem Stück Beigaben-Kuchen dazu supersatt.

 

Der Busbahnhof ist, sehr praktisch, gleich um die Ecke, die Tickets schnell gekauft. Wir müssen noch ein bisschen auf unseren Bus warten und sind ganz hibbelig. Ich bin das ja ganz oft auch zu Hause: Dann werden die Füße unruhig und mein Bauch würde am liebsten sofort loslaufen. Hier ist es noch ein bisschen schlimmer, denn nun bin ich ja schon da und nichts in mir will sich damit abfinden, dass da sein nicht heißt, dass man auch schon richtig ist. Christa und Michaela geht es ganz ähnlich ... und anderen deutschen Pilgern wohl auch. Jedenfalls kommen wir ruckzuck ins Gespräch: Die einen fahren nach Burgos und auf den Camino Francés, die anderen ... nee! Echt jetzt? Ihr wollt auch alle nach Ferrol? - Na, das trifft sich ja hervorragend, denn da wollen wir auch hin!

 

 

Die Busfahrt ist kurzweilig. Na klar!, drei Weiber unter sich und unterwegs in Spanien, das ist so ein bisschen wie eine Fahrt ins Landschulheim (und die, die schon einmal mit uns drei in einem Raum haben "schlafen" müssen, wissen zu ihrem Leidwesen, dass wir uns an solche Ausflüge guuut erinnern und ... Mädels und Jungs, ich sag nur: Hihihihi!). Natürlich ist das total schön und ich genieße die Fahrt, aber ganz ehrlich: Den Abschied von den beiden macht mir das nun nicht gerade leichter. Sie werden noch einen Tag hier verbringen, während ich gleich durchstarte. Ich möchte von Hospital de Bruma nach A Coruna fahren und von dort auch diesen Weg gehen. Wenn ich die beiden dann wieder einholen will, muss ich mich schon ein bisschen beeilen.

 

Also drücken wir uns noch einmal ganz feste und dann stehen Christa und Michaela für mich Spalier - naja, ein etwas zu kurz geratenes, so gut es eben zu zweit geht. Und wenn ich mich jetzt einfach nicht mehr nach ihnen umdrehe, klappt es auch mit dem losgehen.

 

Ich bin ja auch nicht alleine. Mit mir trabt Dirk von dannen, den wir im Bus kennengelernt haben. Das macht mir das Herz dann doch ein ganzes Stück leichter und die ersten Schritte lebhafter. Ich fürchte, wenn ich ein bisschen schwerherzig bin, versucht mein Mund mit Gequassel mich selbst darüber hinwegzutäuschen, dass ich gerade schwerherzig bin. Hm.

 

Jedenfalls finden wir leicht das Pilgerbüro (ich bin ja bestens vorbereitet ;) ), lassen uns unseren ersten Stempel geben und machen das erste Erinnerungsfoto am Startstein des Caminos (es soll tatsächlich Leute geben, die ihn nicht finden  :-* ).

 

Nach all dieser Anstrengung und Aufregung brauchen wir erst einmal eine Tasse Kaffe! ... Und dann trennen wir uns. Dirk ist ein gutes Stück jünger und langbeiniger als ich und ich möchte mir noch das eine oder andere unterwegs ansehen. Außerdem hat er sich für heute eine längere Etappe vorgenommen und wenn ich etwas so gar nicht leiden kann, ist es, jemanden auszubremsen. Traurig bin ich schon ... aber ich weiß ja, wie alleine gehen geht.

 

Durch Ferrol hindurch gibt es keine Markierung - oder zumindest habe ich keine gesehen. Weil ich mir aber den Weg schon genau zusammengeschrieben habe (eigentlich muss ich nur noch gucken, dass das auch alles so funktioniert), ist das nicht schlimm. Im Außenbezirk hüpfe ich noch schnell in einen Lidl (da fühlt man sich doch gleich wie zu Hause!) und pilgere fröhlich vor mich hin ... bis ich natürlich doch eine Abzweigung verpasse. Weil es aber so schön geradeaus geht, merke ich erst, als ich vor einer Bahntrasse und hinter dem Monasterio stehe, zu dem ich eigentlich von vorne kommen sollte.

 

 

 

Das ist das Los, wenn man Pilgerführer schreibt: Man kann nicht eben mal hinten vorne Sen lassen, sondern muss gaaanz zurück und gucken, wo man sich vergangenen hat. Joa,  von dieser Seite sind die gelben Pfeile und der Trampelpfad guuut zu sehen. Vielleicht wäre hier ein Pilgerwendehammer eine gute Idee! Oder Schilder: "Camino im Rücken"" oder "Pilger, bitte wenden!" ... Allerdings muss ich gestehen, dass hier nicht alle falsch gegangen sind ... also außer mir eigentlich ...

 

Das Monasterio ist - na klar! - leider geschlossen. So schade! Dies wäre ein guter Platz für den Zwischenstempel, den man auf dem Inglés braucht, um in Santiago die Compostela zu benommen. Nach längeren Caminos hatte ich bisher noch nie Probleme, wenn ich nur einen Stempel am Tag hatte, aber der Inglés ist so kurz, dass man gerade mal die geforderten 100 km unter die Sohlen kriegt. Damit ist er ein genialer Einsteigerweg: kurz genug, um pilgern einmal auszuprobieren, lange genug für die Compostela und damit genau richtig, schnuppern einen kompletten Weg abschließen zu können.

 

Die Gezeitenmühle,  auf die ich mich so gefreut hatte, hatte ihre gerade noch so Guten Tage auch wohl lange im letzten Jahrhundert. So schade ist das! Und so mache ich im nächsten Ort einen Schlenker in eine Bar, um mich mit café con leche und einem süßen Teilchen zu trösten, bevor ich die letzten Meter zur Herberge gehe.