2. Tag

 

Kinders, pilgern ist hier wie Urlaub machen! Ohne Stöpsel werde ich erst gegen 7.30 Uhr wach und bin total erschrocken, weil es schon so spät ist. Und um mich herum ist alles so ... leise! Niemand, der sich den Wecker gestellt und dann die Ohren verpfropft hat, alle sind komplett entspannt und das ist so schön und ansteckend.

 

Als ich los laufe, ist das eher ein vor mich hin geschlender. Und dann wird mir bald ganz warm ums Herz: Ich darf auf einem Holzsteg gehen! Naja gut, er ist nicht ganz so schön wie die auf dem Camino Portugues de la Costa, aber das macht meinem Bauch so rein gar nichts! 

 

Allerdings sind nicht nur wir Pilger entspannt, sondern auch die Barbesitzer. Nach 6 km wäre ein Tässchen Koffein schon etwas Feines. Aber alles ist geschlossen. Als dann doch endlich ein Café offen hat, kann ich mein Glück kaum fassen!

 

Nach einer Weile über Straßen und durch Häuser wird der Weg richtig schön und führt auch einmal über mittellange - also für lang sind sie zu kurz und für kurz einen kleinen Dütz zu lang - durch Eukalyptuswälder und Wiesen. Dafür zieht er stellenweise ganz schön an. Der Camino führt von Ría zu Ría, um sie herum und über die Buckel dazwischen drüberweg.

 

Als ich noch einmal ein paar Meter zurückgehe, weil ich unten zu faul war, meinen Foto herauszukruschpeln und mich oben über meine Faulheit und das nun fehlende Foto ärgere, kommt mir doch prompt Dirk entgegen! Ich wusste wohl von zwei anderen Mitpilgerinnen, dass er in Neda  in einem Hotel übernachtet hat (er ließ mir ausrichten, er sei ein Weicheipilger! - ist er aber nicht, so!), dachte aber, dass er, jung und dynamisch, wie er ist, nur ganz knapp vor mir hätte starten müssen, um ruckzuck irgendwo ganz weit vorne zu verschwinden.

 

 

Ich freue mich jedenfalls total, wenn es mir auch ein bißchen peinlich ist, hinter ihm herzuschnaufen. Während ich bergauf .... am liebsten ganz viele Fotos machen möchte,  damit es nicht so auffällt, dass ich dauernd verschnaufen muss, steht er oben und feuert mich an: Na komm schon! Ich kann dich veruhigen: Hier Ionen geht es genauso steil weiter! Einen Satz wollte ich mir ganz bestimmt merken, weil er so lustig War ... hab ihn aber prompt vergessen. plöd. Jedenfalls wird das Laufen mit ihm nicht langweilig.

 

Einmal überholt uns sehr leichtfüßig eine ältere Nonne und ist bald ein ganzes Stück vor uns. Ihr folgt ein Weilchen später eine jüngere und wir dürfen von hinten beibachten, wie sie sich freuen sich zu sehen. Ich finde das sehr anrührend. Natürlich passiert es auf Caminos ganz oft, dass sich Pilger in den Armen liegen, weil sie sich wiedersehen, aber bei diesen beiden Damen macht ihr schwarzer Habit - nennt man das so? Egal, ich tu es jetzt einfach, soll mich mal einer eines Besseren überzeugen! - es noch einmal ein bißchen brsondrrerer.

 

Am Strand gegenüber von Pontedeume machen wir noch einmal Pause, bevor wir über die Brücke die Stadt betreten. Eigentlich hatten wir unterwegs überlegt, noch bis Mino zu gehen. Es ist ja noch früh. Also machen wir einen Schlenker zur leider noch verschlossenen Herberge und dem Wehrturm.

 

Heute ist Samstag und damit Markt. Das ist für mich freilich echte Folter, weil ich ja alles, was ich kaufe, tragen müsste ... wobei ich hier sagen musd, dass die Kleider nun doch nicht wirklich mein Stil sind. Jedenfalls finden wir im allgemeinen Trubel plötzlich vor einer Bar einen Stand mit Pulpo! Da rutscht mir der Rucksack von ganz alleine vom Rücken und schon stehe ich an der Theke und krieg meine Bestellung zwischen meinem Gesabber gar nicht mehr richtig ausgesprochen. Ich fürchte, man bedient mich nur vor Angst, ich könnte sonst weiter um mich spucken. Dirk guckt erst noch ein bisschen ... vorsichtig ... probiert ... und - schwups! - hat er auch einen Holzteller vor sich stehen!

 

 

Bei einem Verdauungskaffee überschlagen wir die Tagesetappen, überlegen, gucken auf unsere Beine und beschließen, doch hier zu bleiben. Darauf brauche ich noch ein Tässchen, bevor ich zur Herberge dackel und, sie ist inzwischen offen, mein Bett beziehe, dusche, wasche und schließlich auf Erkundungsspaziergang gehe.

 

Hört sich ganz schön großartig an: Erkundungsspaziergang! - Tatsächlich komme ich gerade ein paar Meter durch die engen Gassen und lasse mich auch schon - plumps! - bei zwei Mitpilgerinnen auf einen Stuhl plumpsen, winke Dirk pber Handy dazu und ... jetzt sind wir schon zu viert.

 

Hab ich schon einmal bemerkt, wie sehr ich das Pilgern liebe?!

 

 

Zu viert gehen wir auch später in eine Tapasbar. Ich glaube, am Ende haben wir uns bestimmt durch die halbe Speisekarte probiert - eins leckerer als die anderen - und haben einen so schönen und lustigen Abend, dass ich wirklich froh bin, dass ich nicht weitergelaufen bin.