3. Tag

Manchmal könnte ich echt sauer werden: Ich schreibe und schreibe und dann ist doch wieder alles weg. Bin ich zu plöd, oder liegt es an mir? So ein Käse!

 

Seid mir bitte nicht böse,  wenn dieser Eintrag nur ganz kurz ist. Wer meinen eigentlichen Post im Internet findet, soll ihn bitte von mir grüßen! 

 

Also: Heute morgen in Pontedeume gestartet, ersten Buckel bewältigt, weil ich ganz viele Fotos gemacht habe (dann sieht es nicht so dusselig sus, wenn ich verschnaufen muss. Ich bin darin so geübt, dass ich auch dann knipse,  wenn ich alleine bin, schließlich mag ich es vor mir auch nicht so unbedingt eingestehen, dass ich schnaufe wie ein Walross).

 

 

Der Weg nach Mino ist zu einem guten Teil ein echter Traum! Er führt durch ein Biosphärenreservat, durch Mischwälder, in denen Märchen geboren werden und über Wasserläufe, in denen es Wasserschildkröten geben soll (ich hab genau geguckt, aber leider keine gesehen) - das ist so schön! Und so wichtig! Die Eukalyptuswälder haben ja auch so ihren Reiz, aber sie sind einfach ausschließlich Nutzwälder und, weil man vergessen hat, Koala-Bären mit einzuführen, leider ziemlich leblos. Zum Glück hat man bei allem Profit daran gedacht, wenigstens noch hier und da eine solche Oase bestehen zu lassen.

Zum Frühstück komme ich erst in Mino. In Pontedeume waren noch alle Bars geschlossen und dann kam nix mehr. Ich muss mal lachen, weil ich muss an Thomas und meine Geschäftsidee von unserem ersten Camino denken: Eine Imbiss-Kette für Pilger, oben ein großes I wie Ilchmann in Form eines Pfeiles drauf, einen walk-through, Bratwürste, Fleischkäse, Frikadellenbrötchen (für unsere bayrischen Mitpilger als Fleischpflanzerlsemmel, für die amerikanischen mit einem Salatblättchen und einer Scheibe Tomate als Pilgrimsburger), Hähnchen, Knödel und (jetzt wird es mir gerade ganz warm im Bauch, weil das so eine schöne Erinnerung ist: Ich habe einmal in einer Bar unsere Mitpilger in diese Geschäftsidee eingeweiht. Am Nebentisch saßen auch Pilger, die ich aber nicht kannte und nicht zuordnen konnte und die irgendwie ... sehr ruhig waren. Ruckzuck waren wir in einem wilden Durcheinander an Dingen, die unbedingt mit auf die Karte mussten. Nach und nach klinkte sich auch der Nebentisch ein, die auch aus Deutschland kamen, und mir wird immer noch ganz krüddelig im Bauch, wenn ich an die sehnsuchtsvollen Augen denke, mit der eine Dame von eben diesem Tisch um die Aufnahme von Dosenmilch bat. Das war so ... halsknödelig!) Dosenmilch.

 

Wo war ich jetzt? Ach ja, da sitze ich ja und schlabbere endlich meinen nach knapp 11 km wohlverdienten Kaffee und tratsche munter mit den beiden Damen aus Deutschland. Hach ja, hab ich schon einmal erwähnt, dass ich Pilgern total ... Ja? - Na gut. Ich liebe es trotzdem.

 

In Vinas kommen wir gerade rechtzeitig zur Gabenbereitung zur Kirche. Das ist fein, denn dadurch ist sie offen und ich mag sie. Am Lesepult steht zwischen Alpha und Omega die Pilgermuschel. Ich liebe solche Dinge! Leider kann ich die Sonne auf dem Boden nicht deuten. Hat sie überhaupt eine Bedeutung? Muss immer alles eine Bedeutung haben? - Als wenn, dann wüsste ich sie gerne. Wenn ihr da eine Idee habt, lasst es mich bitte wissen! Aber schön ist sie auch ohne Erklärung.

 

Nach dem Gottesdienst überrollt mich der Pfarrer komplett mit seiner Herzlichkeit (ohne das jetzt böse zu meinen, aber mit ihm treiben die Regeln der katholischen Kirche wirklich Frevel an der gesamten weiblichen Hälfte der Menschheit!). Wir bekommen einen Stempel, müssen ihm versprechen, dass wir in Santiago für ihn beten (ich werde es ganz bestimmt nicht vergessen!) und bekommen dafür von ihm versprochen, dass er das auch für uns tun wird (ich weiß nicht, ob ihr das verstehen könnt, aber so ein Versprechen macht ... - schluck).

 

Ich setze mich ein bisschen nach hinten von den beiden Mädels ab. Ich muss irgendwie einfach ein bisschen mit mir alleine sein. Aber ihr glaubt ja gar nicht, wie ich mich freue, als sie mir dreistimmig (mit Dirk) von einer Bank vor der Igrexa de San Martino de Tiobre zurufen! Das ist schön! Und so machen wir noch einmal Rast ... und - schwups! - kommt noch ein Geschwisterpaar, ebenfalls aus Deutschland dazu, Schwesterchen (hach, es ist immer so schwer, persönlich zu bleiben, ohne Namen zu nennen; ohne Zustimmung mag ich das aber nicht machen und andere Namen mag ich nicht nehmen, weil das ja so was von eben nicht persönlich wäre!) strahlt in die Runde und verkündet: "Wir sind jetzt eine Herde!" (sie erinnert mich tatsächlich mit ihrer unbeschwert-fröhlichen Art an Sid)

 

Als Herde wackeln wir also vereint in Betanzos ein und das ist so schön!

 

Freilich gucke ich mich noch ein bisschen in der Stadt um. In Betanzos hat der Fürst Andrade wohl seine bleibendsten Spuren hinterlassen und ruht nun in einer seiner Kirchen in einem ziemlich beeindruckenden Steinsarg, getragen von einem Wildschwein und einem Bär. Natürlich ist das total interessant, aber wirklich angetan hat es mir das hier:

 

 

 

Ach, ich mag es einfach, wenn Kirchen die Welt zulassen! Das macht deutlich, für wen sie eigentlich da sind, nämlich für die Menschen und die sind nunmal weltlich und menschlich und stehen zuweilen einem Zuber badender Kinder einfach nah.

 

Oh, der heutige Tag hatte noch einen kleinen Sahnetupfen für mich (der große ist, dass ich jetzt Teil einer ganz lieben Herde bin): Ein ziemlich laut ausgesprochenes "F... dich Weg!" war, genau dort, wo ich es hörte, genau das, was ich dachte ... und so weltlich ... und menschlich ... so wie Menschen nunmal manchmal sind ... und bei denen ist manchmal auch einfach nur ein Fluchen im Kopf ... und das ist auch gut so, weil sonst würden wir ja alle barfuß über das Wasser latschen und dann müssten wir keine Brücken mehr bauen und all die knackigen Chefstewards von Kreuzfahrtschiffen (Heideröslein, was ist der Hehn alt geworden!) würden arbeitslos.